Xylazin - Vom Tierarzneimittel zur gefährlichen Straßendroge

 

Geschichte, Wirkung und aktuelle Situation

 

Xylazin ist ein Medikament, das ursprünglich für den Einsatz in der Tiermedizin entwickelt wurde. Es handelt sich um einen sogenannten α₂-Adrenozeptor-Agonisten, der bei Tieren zur Sedierung, Schmerzlinderung und Muskelentspannung eingesetzt wird. Besonders in der Behandlung von Pferden, Rindern und Hunden findet es breite Anwendung. Was viele nicht wissen: In jüngerer Zeit hat sich Xylazin zu einer gefährlichen Beimischung in der Drogenszene entwickelt – insbesondere in Nordamerika, zunehmend aber auch in Europa.

 

Die Geschichte von Xylazin beginnt in den 1960er-Jahren in Deutschland. Der Konzern Bayer entwickelte die Substanz zunächst mit dem Ziel, ein blutdrucksenkendes Mittel für den Menschen zu schaffen. Doch klinische Tests zeigten schnell, dass Xylazin zu starke Nebenwirkungen auf das zentrale Nervensystem hatte. Stattdessen wurde es ab etwa 1969 als Tierarzneimittel zugelassen – und blieb jahrzehntelang auf diesen Bereich beschränkt. Erst um die Jahrtausendwende tauchten Berichte aus Puerto Rico auf, wo Xylazin erstmals missbräuchlich in der Drogenszene verwendet wurde. Von dort aus verbreitete es sich rasch in die USA und hat sich mittlerweile in vielen Regionen Nordamerikas etabliert.

 

Heute stammt Xylazin meist aus veterinärmedizinischen Beständen oder wird – unter Umgehung gesetzlicher Vorschriften – international gehandelt, etwa aus Asien. Der Grund für seine Beliebtheit auf dem Schwarzmarkt: Es ist günstig, leicht verfügbar und verstärkt die Wirkung anderer Drogen wie Fentanyl oder Heroin. Besonders gefährlich ist Xylazin deshalb, weil es keine Opioid-Substanz ist und somit nicht durch gängige Gegenmittel wie Naloxon bei einer Überdosis blockiert werden kann.

 

Die Wirkung von Xylazin auf den menschlichen Körper ist massiv. Es führt zu starker Sedierung, Muskelschwäche, verlangsamtem Herzschlag, Atemdepression und sogar zum Bewusstseinsverlust. In Kombination mit Fentanyl verstärken sich diese Effekte – oft mit tödlichem Ausgang. Besonders erschreckend sind die Berichte über schwere Haut- und Gewebeschäden, sogenannte Nekrosen, die nicht nur an der Einstichstelle auftreten. Diese „fleischfressenden“ Wunden haben Xylazin den Beinamen „Zombie-Droge“ eingebracht. In den USA werden mittlerweile ganze Klinikbereiche darauf spezialisiert, Betroffene zu behandeln.

 

Neben der akuten Gesundheitsgefährdung entwickelt sich bei regelmäßigem Konsum auch eine körperliche Abhängigkeit. Entzugserscheinungen wie Unruhe, Angst, Schlaflosigkeit und Reizbarkeit sind typisch – können jedoch nicht wie bei Opiaten mit Substitutionsmitteln behandelt werden. Die psychische und körperliche Belastung ist enorm, was Rückfälle und Dauerschäden wahrscheinlich macht.

 

Derzeit wird Xylazin hauptsächlich in den USA konsumiert, mit Schwerpunkten in Städten wie Philadelphia, Baltimore oder Chicago. In Europa wurde die Substanz erstmals 2022 in Großbritannien und 2023 in Italien in Todesfällen nachgewiesen. In Deutschland gibt es bisher noch keine offizielle Welle an Xylazin-Missbrauch, doch Experten warnen vor einem baldigen Anstieg. Die Erfahrungen aus den USA zeigen, wie schnell sich das Problem ausbreiten kann – vor allem, wenn Xylazin unbemerkt Heroin oder Fentanyl beigemischt wird. Drogenkonsumenten wissen oft nicht, dass sie die Substanz überhaupt einnehmen.

 

Angesichts dieser Entwicklungen ist davon auszugehen, dass auch in Deutschland zwischen 2025 und 2027 vermehrt Fälle auftreten werden – besonders in städtischen Gebieten mit bestehender Opioidszene. Frühwarnsysteme wie Drug-Checking, verstärkte Tests in Notaufnahmen sowie Aufklärung in der Szene könnten entscheidend sein, um ein größeres Gesundheitsdesaster zu verhindern. Gleichzeitig fordern Fachleute strengere Kontrollen im Veterinärbereich und eine bessere internationale Überwachung, um den illegalen Handel mit Xylazin einzudämmen.

 

Xylazin zeigt auf drastische Weise, wie schnell eine Substanz vom medizinischen Nischenprodukt zur lebensgefährlichen Straßendroge werden kann – mit dramatischen Folgen für Einzelne und die gesamte Gesellschaft.

 

Xylazin ist nicht direkt erkennbar, aber seine Auswirkungen sind oft sehr auffällig – besonders bei ungewöhnlich starker Sedierung, nicht wirkendem Naloxon und schweren Hautschäden. Schutz bieten vor allem Drug-Checking, Wissen, sichere Konsumumgebung und medizinische Vorsorge. Noch besser ist es, den Konsum unbekannter oder ungetesteter Substanzen ganz zu vermeiden.

 

 

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